Wie mache ich schöne und eindrückliche Fotos von Wildtieren?
Als die Wildtierfotografie zu meiner Leidenschaft wurde, habe ich sehr von den Tipps anderer Fotografen profitiert. Unterdessen gehe ich schon seit Jahren diesem wunderbaren Hobby nach und fasse hier die wichtigsten Erkenntnisse zusammen, die sich bei mir in der Praxis bewährt haben. In der Hoffnung, dass Du davon profitieren kannst:
1. Information Informiere Dich über die Tiere, die Du fotografieren möchtest und über deren Lebensraum: Wenn Du weisst mit welchen Sinnen sie ihre Umgebung wahrnehmen, wann sie sich wo aufhalten und was es dort sonst noch zu fotografieren gibt, planst Du effizientere und erfolgreichere Fototouren und störst auch die Tiere weniger.
2. Motivation Um frei lebende Tiere zu fotografieren, müssen wir ihren Lebensraum aufsuchen. Dabei kann es passieren, dass ein Tier derart gut getarnt ist, dass wir es zu spät bemerken und es stören. Wir sollten deshalb Gebiete meiden, in denen sich vom Aussterben bedrohte Arten aufhalten. Aber auch bei den nicht bedrohten Arten sollten wir respektvoll vorgehen und nichts zurücklassen.
Respektvolle Naturfotografie macht mehr Freude. Und mehr Freude bedeutet längerfristig mehr Motivation und damit auch mehr Erfolg.
3. Geduld Eine erfolgreiche Fototour ist, wenn man, ohne Tiere gestört zu haben, wieder gesund nach Hause zurückkehrt. Natürlich ist es noch besser, wenn sich dabei auch schöne Bilder auf der Speicherkarte befinden. In der Naturfotografie lässt sich das aber nicht erzwingen. Wenn Du die Geduld und die Ausdauer hast Deine Chance immer wieder zu suchen, klappt es aber garantiert.
4. Dein Gebiet vor Deiner Haustüre Wenn Du an einer geführten Fotoreise teilnimmst, machst Du sicher schöne Bilder. Ganz ähnliche Bilder werden aber schon dutzende Fotografen vor Dir gemacht haben.
Deine Chance auf einzigartige Naturfotografien sind viel höher, wenn Du ein Projekt in Deiner Nähe über einen längeren Zeitraum verfolgst: Wenn Du das gleiche Gebiet immer wieder, zu unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten und bei allen Wetterlagen aufsuchst, lernst Du, wann sich die Tiere wo aufhalten und wie sie sich dabei verhalten. Dann findest Du auch heraus, wie Du sie fotografieren kannst, ohne sie zu stören, machst Bilder, die ohne dieses Wissen nicht zu realisieren wären und erlebst beglückende Momente in der Natur, ohne dieser zu schaden.
5. Licht
Nicht umsonst lautet der Fotografengruss «Gut Licht»: Erst das Licht gibt uns die Möglichkeit, überhaupt zu fotografieren. Die Qualität des Lichts ist ein wichtiger Faktor auf Deinem Weg zu spannenden Bildern. Je tiefer der Sonnenstand, desto höher stehen Deine Chancen auf eine stimmungsvolle Lichtsituation. Je tiefer die Sonne steht, desto höher sind aber auch die Anforderungen an Dein technisches und gestalterisches Können.
Achte am frühen Morgen und am Abend auch auf die Farben: Durch die Brechung des Lichts in der Atmosphäre wechselt mit dem Sonnenstand auch die Farbstimmung.
6. Nähe «Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran». Dieses Zitat von Robert Capa (Fotograf und Kriegsreporter) könnte auch von einem Wildtierfotografen stammen: Ein grosser Teil des Reizes von Tierbildern macht aus, dass Details erkennbar werden, die man von blossem Auge nicht bemerkt. Und: Durch optische Nähe entsteht auch emotionale Nähe. Genau das wollen wir ja: Fotos die berühren. Lichtstarke Objektive mit einer langen Brennweite lassen die Tiere näher erscheinen. Dies hat aber Grenzen. Besonders wenn die Luft flimmert oder wenn es dunstig ist.
7. Tarnung, ducken und langsame Bewegungen Weil Nähe so wichtig ist hier ein weiterer Tipp zu diesem Thema: Durch Tarnung, durch Ducken und teilweise auch durch langsame Bewegungen kommst Du den Tieren näher. Das mit den langsamen Bewegungen ist oft eine Gratwanderung: Setzt sich z. B. ein Vogel in Deine Nähe und Du reisst die Kamera hoch, fliegt er vermutlich weg. Machst Du aber zu langsam, ist die Chance gross, dass er bereits von sich aus weitergeflogen ist, bevor Du ihn im Sucher hast: Je nach Art verweilt er auch ohne Störung nur Sekunden am gleichen Ort.
8. Das rollende Tarnzelt In Europa haben die Wildtiere über Jahrhunderte gelernt, dass Menschen für sie gefährlich sind. Vor Autos haben sie aber weniger Angst. Das kannst Du bei der Wildlife-Fotografie ausnutzen.
9. Augen Man sagt nicht umsonst, die Augen seien der Spiegel der Seele. Blicke sind für uns ein wichtiges Kommunikationsmittel. Probiere immer auf die Augen zu fokussieren.
10. Perspektive Am meisten emotionale Nähe entsteht, wenn sich das Motiv auf Augenhöhe mit dem Fotografen befindet. Dazu kommt, dass es dann auch meistens vor dem Hintergrund freigestellt erscheint. Wenn Du willst, dass das Tier ein wenig erhaben wirkt, kannst Du es auch leicht von unten fotografieren.
11. Der Hintergrund Je ruhiger der Hintergrund, desto stärker wirkt das Motiv. Dabei helfen lichtstarke Objektive, die den Hintergrund in der Unschärfe verschwimmen lassen. Besonders reizvoll sind Hintergrundfarben, die mit den Farben des Motivs harmonieren.
12. Der Vordergrund Elemente im Vordergrund sind ein wirkungsvolles Gestaltungsmittel und können die räumliche Wirkung Deiner Fotografien steigern. Bei der Wildtierfotografie sollte der Vordergrund im Kontext zum restlichen Foto stehen. Besteht der Vordergrund z. B. nur aus unscharfen Flecken, die keinen Bezug zum restlichen Bild haben, kannst Du dir auch überlegen, ganz auf einen Vordergrund zu verzichten und Dein Bild auf das Wesentliche zu reduzieren.
13. Die Bildkomposition Etwas leerer Raum um das Tier lässt das Bild grosszügig wirken. Besonders harmonisch wirken Bilder, bei denen die Raumaufteilung dem «Goldenen Schnitt», respektive der
«Drittelregel», entspricht. Wenn möglich solltest Du den leeren Raum in Blickrichtung des Tiers platzieren, damit es dynamisch wirkt.
14. Verstosse gegen die Gestaltungsregeln Aussergewöhnliche Naturfotos sind oft Bilder, bei denen gezielt gegen die Gestaltungsregeln verstossen wurde. Das heisst jetzt nicht, dass die vorherigen Tipps zur Bildgestaltung nichts wert sind. Wenn Du aber experimentierst, kreativ bist und Dich dabei situativ auch über die gängigen Vorstellungen wie ein Bild gestaltet sein soll hinwegsetzt, ist das mindestens genauso wertvoll.
15. Bewegung Um Tiere in Bewegung zu fotografieren, verwendest Du am besten den kontinuierlichen Autofokus. Meistens sind kurze Verschlusszeiten eine gute Wahl. Es muss aber nicht immer das in der Bewegung «eingefrorene» Tier sein: Unwichtige oder störende Bildpartien können durch Bewegungsunschärfe aufgelöst werden. Gleichzeitig macht Bewegungsunschärfe auch die Bewegung sichtbar und verleiht dem Bild Dynamik.
16. Besondere Momente Wenn Du viel Zeit mit dem Fotografieren von Wildtieren verbringst, ergeben sich immer wieder Momente, bei denen die Tiere ein besonderes Verhalten zeigen. Warte auf diese Momente und nutze sie.
17. Kenne, nutze und verinnerliche die wichtigen Funktionen Deiner Fotoausrüstung
Bei Bergsteigern gilt der Grundsatz: Drei Knoten zu kennen reicht. Diese drei Knoten solltest Du aber auch dehydriert, mit einer Hinerschütterung und bei Dunkelheit binden können.
Mit nur drei Funktionen kommen wir in der Wildtierfotografie leider nicht aus. Es gibt aber unzählige Kamerafunktionen, die wir tatsächlich ignorieren können. Die nachfolgenden Einstellungen und Funktionen solltest Du aber kennen.
Achtung: Die nachfolgenden Tipps sind bewusst allgemein gehalten und ersetzen ein gründliches Studium Deiner eigenen Kamera nicht.
- Unsere Augen haben einen höheren Dynamikumfang als der Sensor der Kamera. Der Sensor der Kamera wiederum hat einen höheren Dynamikumfang als in einer JPEG-Datei gespeichert werden kann. Digitale Spiegelreflexkameras (und neuerdings auch einige Bridgekameras) bieten mit dem RAW-Format die Möglichkeit, die gesamten Bilddaten, die der Sensor liefert, zu speichern. Nutze das: Wenn Du bei der Bildentwicklung etwas korrigierst, kannst Du auf diese zusätzliche «Datentiefe» zurückgreifen. Nur so kannst Du den gesamten Dynamikumfang Deiner Kamera nutzen und nur so stellst Du sicher, dass Bildkorrekturen mit minimalem Qualitätsverlust durchgeführt werden können.
- Die Blendenöffnung bestimmt die Schärfentiefe des Bildes. Du als Fotograf solltest die Entscheidung, wie viel Schärfentiefe Deine Bilder haben, nicht dem Automatikprogramm der Kamera überlassen. Deshalb gibst Du der Kamera die Blendenöffnung vor. Die Kamera misst dann die Lichtmenge und errechnet die nötige Belichtungszeit. Diese Einstellung nennt man Zeitautomatik (oder Blendenpriorität). Es ist die Stellung «Av» beim Programmwahlrad von Canon und «A» bei Nikon:
Wenn Du hochwertige Objektive verwendest (die bereits bei Offenblende eine gute Abbildungsleistung haben), wirst Du, bei der Wildlife-Fotografie, normalerweise mit Offenblende arbeiten. Bei der Makrofotografie oder bei anderen Situationen, bei denen das Tier sehr nahe ist, kannst Du dann die Blende schliessen um mehr Schärfentiefe zu erhalten. Wenn Du die «Abblendtaste» betätigst, wird die Blende auf den von Dir eingestellten Wert geschlossen (wie wenn Du ausgelöst hättest) und Du kannst die Schärfentiefe beurteilen.
Die Zeitautomatik ist die mit Abstand wichtigste Einstellung. Wenn Du neu mit der Wildtier-Fotografie beginnst, solltest Du Dich einige Jahre nur darauf konzentrieren. Es gibt allerdings Situationen, bei denen eine andere Einstellung sinnvoll sein kann:
- Wenn Du mit einem Blitzlichtgerät arbeitest und den Blitz als Hauptlichtquelle einsetzen möchtest. Bei der Zeitautomatik wird der Blitz immer nur als Aufhellblitz angesteuert. Als Hauptlichtquelle macht der Blitz, in der Tierfotografie, allerdings höchstens bei der Makrofotografie Sinn: Nicht nur, weil die Tiere erschrecken, sondern auch weil die dabei entstehenden Fotografien meistens unnatürlich wirken.
- Wenn der Hintergrund ändert: Fotografiert man z. B. einen dunklen Vogel beim fliegen vor einem dunklen Wald, stimmt die Belichtung. Fliegt der dunkle Vogel aber vor eine weisse Wolke, wird die Automatik der Kamera die Belichtungszeit auf ein Mittelding zwischen Vorder- und Hintergrund anpassen. Die Folge: Der Vogel wird unterbelichtet.
Im Modus «Manuell» kannst Du die Belichtungszeit bei dem Wert fixieren, bei dem der Vogel korrekt belichtet wird.
Ich persönlich verwende allerdings auch bei fliegenden Vögeln meistens die Zeitautomatik: Bis ich die korrekten Werte im manuellen Modus eingestellt hätte, wären die meisten Vögel schon weit weggeflogen.
- Die ISO-Empfindlichkeit solltest Du auf «Auto-ISO» einstellen: Dann hält die Kamera die Verschlusszeit immer auf einem der Brennweite angepassten Wert. Meiner Erfahrung nach funktioniert das bei Aufnahmen aus der Hand recht gut. Stabiler Stand, eine Hand am Objektiv und eine an der Kamera, Ellbogen am Körper, Nase (Brille) an der Kamera, flache Atmung und niedriger Puls vorausgesetzt. Durch die hohen Pixeldichten bei den modernen Kameras werden Unschärfen zwar schneller sichtbar, die Bildstabilisatoren in den modernen Objektiven gleichen das aber wieder aus. Faktisch läuft so die Zeitautomatik eigentlich auf eine ISO-Automatik hinaus.
- Es kommt oft vor, dass man sich als Naturfotograf einer Stelle nicht nähern darf, weil sonst das Tier gestört, ja vielleicht sogar am Brutgeschäft gehindert würde. Also musst Du aus grosser Entfernung, mit einer langen Brennweite und mit einem Telekonverter arbeiten. Damit das Bild nicht verwackelt, sollte normalerweise die Verschlusszeit nicht länger als der Kehrwert der Brennweite sein (bei 500 mm also 1/500 Sek., bei 800 mm 1/800 sek. etc.). Da die Lichtstärke beim Einsatz eines Telekonverters abnimmt, würde das sehr hohe ISO-Werte und somit ein starkes Bildrauschen ergeben. Um trotzdem auf lange Distanzen qualitativ hochwertige Aufnahmen mit niedrigen ISO-Werten zu erhalten, kannst Du aber auch mit einer längeren Belichtungszeit arbeiten. Dazu stellst Du den ISO-Wert manuell tiefer ein, als die ISO-Automatik vorgibt. Wichtig ist dann, dass Du vom Stativ aus, mit einem Kabel- oder Funkauslöser und mit «Live-View» arbeitest: Dann gibt es keine Unschärfen durch Erschütterungen wegen dem Spiegelschlag, dem Verschlussvorhang oder der Berührung mit der Hand. Bei ganz statischen Motiven kannst Du statt dem Kabelauslöser auch den Selbstauslöser verwenden.
Wenn sich das Tier selbst bewegt, führt das dann aber natürlich schnell zu Bewegungsunschärfe.
- Die Kamerahersteller überbieten sich gegenseitig mit der Anzahl Autofokus-Sensoren und «intelligenter» Autofokusautomatik in ihren Kameras. Aber woher soll die Kamera wissen, was für eine Aussage Dein Bild haben soll und wo Du den schärfsten Punkt Deines Bildes möchtest? Für die Wildtierfotografie halte ich es für das Beste, wenn Du mit nur einem Autofokusfeld arbeitest und die anderen deaktivierst. So kannst Du den Punkt der maximalen Schärfe exakt setzen. Normalerweise solltest Du mit «AI SERVO» (AF-C bei Nikon) arbeiten: Die Kamera stellt dann immer schnellstmöglich auf das aktive (meistens das zentrale) Autofokusfeld scharf.
Wenn Du eine Systemkamera mit Tieraugen-Autofokus hast, ist das, in vielen Situationen, eine gute und bequeme Alternative. Aber:
- Diese Kameras verfügen nicht über hochempfindliche Doppelkreuzsensoren und sind deshalb nicht so schnell und nicht so präzise wie die klassischen digitalen Spiegelreflexkameras der gleichen Preisklasse.
- Die Fellzeichnung kann den Tieraugen-Autofokus austricksen (z. B. die Gesichtsmaske von Gämsen). Je schneller Du dann die Automatik ausgeschaltet und ein sinnvolles Autofokusfeld manuell gewählt hast, desto grösser sind Deine Chancen auf ein gelungenes Bild.
Wenn das Tier so nahe ist, dass zu wenig Raum bleibt, um danach bei der Bildentwicklung einen guten Bildschnitt zu bestimmen, hast Du zwei Möglichkeiten:
- Bei statischen Motiven kannst Du auf «ONE SHOT» (AF-S bei Nikon) umschalten: Dann visierst Du den Punkt der maximalen Schärfe mit dem zentralen Autofokusfeld an, drückst nur leicht auf den Auslöser, um scharf zu stellen, wählst dann, ohne loszulassen, den definitiven Bildausschnitt und drückst dann durch. Bei Einsteiger-Kameras ist dieses Vorgehen empfehlenswert: Dort ist oft nur das zentrale Autofokusfeld ein Kreuzsensor, die anderen arbeiten langsamer und ungenauer. Aber auch mit Profi-Kameras muss teilweise so gearbeitet werden: Wenn das Objektiv mit Konverter die Lichtstärke von 5.6 überschreitet, funktioniert auch bei denen oft nur noch das zentrale Autofokusfeld (mit Doppelkreuzsensor).
Ein Nachteil dieser Methode ist, dass nochmals neu fokussiert und geschwenkt werden muss, sobald sich das Tier aus der Schärfeebene bewegt. Ausserdem verschiebt sich die Schärfeebene beim Schwenk etwas. Da bei der Wildtierfotografie die Motive ja meistens weit weg sind, bleibt der Winkel des Schwenks allerdings klein und die Verschiebung der Schärfeebene somit marginal.
- Eine andere Möglichkeit ist, ein Autofokusfeld auszuwählen, das so platziert ist, dass Du danach nicht mehr viel beschneiden musst. Diese Methode eignet sich besonders, wenn sich das Tier bewegt, bei Kameras mit mehreren Kreuzsensoren und bei lichtstarken Objektiven (die wenig Schärfentiefe haben und bei denen schnell sichtbar würde, wenn die Schärfe nach einem Schwenk nicht mehr ganz präzise sitzt). Wichtig ist dann, dass Du weisst welche Autofokus-Felder als leistungsfähige Kreuzsensoren ausgelegt sind und diese einsetzt.
- Moderne Kameras haben einen automatischen Autofokus-Betriebsmodus (Canon: AI FOKUS, Nikon: AF-A). Dabei schaltet die Kamera automatisch zwischen den Modi AI SERVO (Nikon: AF-C) und ONE SHOT (Nikon: AF-S) um. Sie versucht zu erkennen, wenn Du einen Schwenk machst und behält dann die Schärfeeinstellung bei, respektive führt die Schärfeeinstellung nach, wenn sie zu erkennen «glaubt», dass sich das Motiv selbst bewegt. Bei aller Begeisterung für die tolle Technik der heutigen Kameras: Bei mir hat das nie funktioniert. Ich kann Dir von dieser Einstellung nur abraten.
- Auch bei der besten Ausrüstung gerät der Fokus einmal zu kurz oder zu lang. Oft bemerkt man es beim Blick durch den Sucher kaum. Aber wenn man das fertige Bild auf einem hochauflösenden Monitor betrachtet, fällt die geringste Abweichung auf. Damit Dir von einer tollen und seltenen Szene schlussendlich nicht nur ein Bild mit einem Fehlfokus bleibt, solltest Du, wenn immer möglich, von jeder Einstellung mehrere Bildserien erstellen und immer wieder neu fokussieren. Das ist auch hilfreich, wenn das Tier z. B. geblinzelt hat und hilft die «besonderen Momente» nicht zu verpassen. Eine schnelle Speicherkarte mit einer hohen Kapazität ist dabei von Vorteil.
- Als Belichtungsmessung wählst Du entweder die «Mittenbetonte Messung» (mit dieser Einstellung arbeite ich) oder die «Mehrfeldmessung». Juza (www.juzaphoto.com) hat in seinen Artikeln (die ich eigentlich sehr schätze und die mich auch inspiriert haben) gemeint, bei modernen Kameras sei die Mehrfeldmessung der mittenbetonten Messung überlegen. Ich habe mir das zu Herzen genommen, auf der nächsten Fototour damit gearbeitet und prompt ausgerissene Bilder nach Hause gebracht. Und das in Situationen, bei denen ich es nicht erwartet hätte, sprich bei denen das mit der mittenbetonten Messung vermutlich nicht passiert wäre. Seither setze ich wieder die mittenbetonte Messung ein. Das soll jetzt nicht heissen, dass diese Methode generell besser ist. Aber für mich ist sie besser: Nach einigen Jahren intensivem Fotografieren damit habe ich ein Gefühl dafür entwickelt, welche Situationen kritisch sind und eine Kontrolle, respektive eine manuelle Korrektur, benötigen. Egal für welche dieser zwei Methoden Du Dich entscheidest: Du wirst mit grösster Wahrscheinlichkeit glücklich damit. Nach einigen Jahren wird das Wechseln aber natürlich auch für Dich schwierig. Weil die beiden Methoden aber praktisch gleichwertig sind, wird es kaum je eine Notwendigkeit zum Wechseln geben.
- Wenn die Kurve des Belichtungs-Histogramms links oder rechts anschlägt, gibt es in den dunklen (links) oder in den hellen (rechts) Partien des Bildes keine Tonwertunterschiede mehr. Bei den dunklen Partien nennt man das dann «zufallen» (ganz schwarz werden) und bei den Hellen «ausreissen» (ganz weiss werden). Gewünscht sind meistens Bilder, bei denen nichts zugefallen oder ausgerissen ist (ausser ganz kleine Flächen wie z. B. die Glanzlichter in den Augen).
Auf der Rückwand der Kamera zeigt das Histogramm die Werte der auf dem Display dargestellten Abbildung an. Diese Abbildung wird mit Standardwerten berechnet. Der Dynamikumfang entspricht einer JPEG-Datei. Die auf der Speicherkarte gespeicherte RAW-Datei hat einen höheren Dynamikumfang und somit noch Reserven. Ob diese Reserven ausreichen, lässt sich bei den meisten Kameras jedoch nicht feststellen. Deshalb solltest Du (wenn möglich) die Belichtung korrigieren und die Aufnahme wiederholen, bis Dir das Histogramm kein Zufallen oder Ausreissen mehr anzeigt.
Die Sensoren der Kameras zeichnen mehr helle Tonwertabstufungen auf als dunkle. Darum wird das Bildrauschen immer zuerst in den dunklen Bildpartien sichtbar. Wenn es der Kontrastumfang der Aufnahmesituation zulässt, solltest Du deshalb Deine Bilder tendenziell eher hell als dunkel belichten. Aber ohne ganz weisse (ausgerissene) Stellen!
- Die Gegenlichtblende schützt die Frontlinse Deines Objektivs. Weil die Gegenlichtblende das Objektiv optisch verlängert, ist sie bei scheuen Tieren natürlich kein Vorteil. Mir persönlich ist der Schutz des Objektivs in diesem Fall wichtiger.
- Die Möglichkeit einer leisen Aufnahme ist bei der Tierfotografie Gold wert und gehört zu einer guten Tarnung. Systemkameras haben hier natürlich einen Vorteil gegenüber Spiegelreflexkameras.
18. Bildauswahl Kurz nach der Fototour ist die Erinnerung, wie Deine Fotos entstanden sind, noch am frischesten. Deshalb ist das ein guter Zeitpunkt, um Deine Bilder zu sichten, kurz zu beurteilen und Dir zu überlegen, was Du hättest besser machen können. Du kannst auch schon eine grobe Sortierung durchführen.
Vor der definitiven Bildauswahl solltest Du aber einige Tage verstreichen lassen: Die Erlebnisse in der Natur lösen Emotionen aus, von denen Du für die Bildbeurteilung Abstand gewinnen solltest. Beurteile Deine Bilder nicht aufgrund der Gefühle, die Du beim Fotografieren hattest, sondern finde heraus, was für Emotionen das Bild selbst auslöst.
Werde Mitglied im Forum für Naturfotografen, bei der Fotocommunity oder bei Instagram. Dort setzt Du dich mit der Beurteilung von Fotografien auseinander, bekommst wertvolle Tipps und kannst auch anderen Naturfotografen helfen, besser zu fotografieren. Aber:
- Soziale Medien sind "Zeitfresser". Hinterfrage immer wieder mal, ob Du nicht mehr Zeit in das eigentliche Fotografieren investieren willst.
- Bei sozialen Medien dominiert ein massentaugliches ästhetisches Empfinden. Der künstlerische Anspruch ist entsprechend überschaubar. Selbstverständlich kannst Du dort auch Leute finden die "auf Deiner Wellenlänge" sind. Wenn Du aber merkst, dass es Dich nicht mehr weiterbringt, solltest Du nicht zögern, dich anderweitig zu orientieren.
Auf Deinem Weg zu spannenden Bildern hast Du einen starken Verbündeten: Den «Papierkorb». Wenn Du konsequent mit ihm zusammenarbeitest und ihm alles überlässt, was nicht wirklich beeindruckend ist, wirst Du nur beeindruckende Bilder machen.
19. Übung macht den Meister Am besten gehst Du zum Üben in den Tierpark oder in den Zoo: Es wäre schon sehr ärgerlich, wenn Du stundenlang auf ein Wildtier ansitzt und wenn sich endlich ein Tier am erhofften Ort und bei schönem Licht einfindet, passiert ein blöder Anfängerfehler (Akku leer, keine Speicherkarte drin, Kameraeinstellung falsch ...). Zudem trifft man im Tierpark oft Kollegen und als Wildtierfotograf sollte man keine Gelegenheit zum Fachsimpeln auslassen: Man lernt immer etwas dazu. Aber Vorsicht: Die meisten Wildtierfotografen schätzen die Stille und sind gerne alleine unterwegs. Gegenüber Menschen sind sie dann eher zurückhaltend. Also nicht enttäuscht sein, wenn sich nicht sofort ein interessantes Gespräch entwickelt ...
Ich freue mich auf konstruktive Kritik, Anmerkungen und Ergänzungen:
matthias.meyer@wildtierfotografie.ch
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